Der Basler Morgestraich

Am 11. März 2019 luden Otto und Adrienne Lilienfeld, die mitten in der Altstadt der ehrwürdigen, schönen Stadt Basel leben, freundlicherweise die im näheren Umkreis lebenden Balten zu einem herausragenden Anlass in ihr Heim: Basel feierte den legendären Morgenstraich.

 

Die dreitägige Basler Fasnacht beginnt am Montag nach Aschermittwoch mit dem Morgenstraich. Auf das Kommando „Morgenstraich, vorwärts, Marsch!“ werden um Punkt 4.00 Uhr früh die Lichter der Innenstadt gelöscht und tausende Trommler und Pfeiffer beginnen mit der Intonation des gleichnamigen Marschmusikstücks „Morgenstraich“. Der Marsch besteht aus zwei Versen, die jeweils wiederholt werden.

 

Die Trommler und Pfeiffer sind in großen und kleinen Cliquen durch die Gassen der Stadt unterwegs und folgen nicht einer vorgegebenen Route. Heitere Ausgelassenheit und der zugleich ernsthafte, melancholische Charakter machen die Basler Fasnacht zu einem einzigartigen Anlass. Kunstvoll bemalte und gestaltete Laternen erleuchten mystisch die dunkle Winternacht. Der Morgenstraich dauert bis zum Tagesanbruch. Am Nachmittag beginnt der grosse Umzug, genannt Cortège. Am Donnerstag um 4.00 Uhr, nach exakt 72 Stunden, endet dieser städtische Jahreshöhepunkt, der auch als die „5. Jahreszeit“ in Basel bezeichnet wird.

 

Der beim Eintreffen der Baltenschar im Hause Lilienfeld offerierte starke Kaffee spülte sogleich das Unausgeschlafensein fort. Wir stellten uns auf den Balkon und genossen das Privileg des direkten Überblicks auf ein faszinierendes Spektakel!

Unter uns in den schmalen, dunklen Altstadtgassen standen die Menschenreihen so dicht gedrängt, dass ein Kollabierender nicht hätte umfallen können. Dazwischen marschierten in Kontermärschen die musizierenden Cliquen. Dass in unserer vor Terroranschlägen so ängstlichen Zeit eine ganze Stadt noch dermaßen unbeschwert feiert, hat mich sehr erstaunt und gefreut!

 

Nach einer gewissen Zeit hatten wir die zwei Verse der Marschmusik verinnerlicht und schlossen die Türen nach draußen.

 

Nur Kerzenschein und das Feuer des Kamins erhellten behaglich den Raum. Die Atmosphäre war so charmant, dass sie zur gedanklichen Zeitreise verleitete: Wir sind zu Besuch bei Verwandten im Baltikum vor mehr als 100 Jahren! Goldgelbe Piröggchen, Gläschen mit klarem Inhalt, wärmendes Süppchen und weitere Sakusken verstärkten noch diese Vorstellung. Ganz gemütlich - Lilienfelds herzige kleine Kinder schlummerten in der Sofaecke - saßen wir entspannt plaudernd bis zum Sonnenaufgang noch beieinander.

 

Im Namen aller danke ich Adrienne und Otto Lilienfeld sehr herzlich für diesen wunderschönen Anlass und ihre wahrhaft baltische Gastfreundschaft.

 

Karin Baronin v. Medem