Führung durch den Meyerschen Stollen

Aarau, Schweiz

An einem etwas verregneten Samstag im Juni gelangte ich durch meine Mutter, Uta Clement v. Rehekampff, nach Aarau in der Schweiz. Sie informierte mich über die Veranstaltung der Bezirksgruppe Baden-Württemberg, eine Führung durch die Aarauer Unterwelt, organisiert von Baronin Karin v. Medem. So setzte ich mich mit meinen beiden Kindern ins Auto und dachte, naja Aarau, Schweiz - ein Katzensprung über die Autobahn vom Bodensee aus.

 

Es erwies sich aber als eine kurvenreiche Fahrt mit der kompletten Durchkreuzung Zürichs. Als ich mich bei Baronin Medem meldete mit dem Hinweis, dass ich sicher zu spät kommen werde, wurde ich mit den tollen Worten getröstet: „Nun ist der Stollen schon so alt, dann kann er auch noch weitere 15 Minuten auf uns warten.“ Dankbar und etwas ermattet wurden wir von einer uns eigentlich unbekannte Gruppe unwahrscheinlich herzlich empfangen, was das verspätete Ankommen erheblich erleichterte.

Dann ging es los mit Gummistiefeln, Helm und Taschenlampen, ab in die Unterwelt Aaraus.

 

Vor mehr als 200 Jahren wurde hier durch den Seidenbandfabrikanten Johann Rudolf Meyer ein unterirdisches Stollensystem zur Sammlung von Quell- und Sickerwasser geschaffen. Ein Relikt aus der Frühzeit der Industrialisierung. Mit dem gesammelten Wasser betrieb der Fabrikant Meyer selbst ein Wasserkraftwerk.

 

Mit herrlichen Anekdoten zum Leben und Wirken Johann Meyers und Fragen, die zum Mitdenken anregten und die acht Kinder integrierten, führte uns die Archäologin Hélène Klemm in die immer flacher werdenden Gänge. Sehr spannend. Selbst für die Kinder (und mich), also eine Körpergröße bis zu 160 cm, wurden die Gänge schon zum Teil nur in sehr gebückter Haltung erreichbar. Ganz zu schweigen davon, wie es dann Graf Korff ging, der mit seiner stattlichen Körpergröße zum Teil doch fast auf allen Vieren krabbeln musste, dabei aber immer begeistert versicherte „alles gut“.

 

Froh waren wir über die Helme, die wir trugen, denn es ließ sich gar nicht vermeiden, ab und zu an der Decke anzustoßen. Auch über die Gummistiefel freuten wir uns sehr, wenn wir wadentief durchs Wasser wateten. Und nur dank der Taschenlampen konnten wir etwas sehen, denn unten herrscht absolute Dunkelheit. Der Stollen ist zum weitaus größten Teil nicht elektrifiziert.

 

Nach einer guten Stunde erreichten wir wieder die Oberwelt. Hungrig und ob der Eindrücke etwas ermattet, erforschten wir noch Aarau, die „Stadt der schönen Giebel“. Eine Reise wert.

 

Im Anschluss an die kurze Stadtexkursion wurden wir sehr herzlich und wirklich baltisch im Heim von Karin v. Medem und ihrem Mann Urs Schulenburg mit einem schönen, frisch in Russland erworbenen Wodka und Piroggen begrüßt. Es war, als kenne man sich schon ewig, und das ... ist wirklich baltisch! Herzliche Gastfreundschaft. Nach dem Begrüßungstrunk im schönen Garten ging es ins Haus, da das Wetter sich nicht zwischen Sonne warm und Regen kalt entscheiden konnte. Mit baltischen Köstlichkeiten, einem herrlichem Borschtsch und köstlichen Kuchen saßen wir so noch den ganzen Nachmittag bis in den Abend zusammen und plauderten angeregt.

 

Auf dem Programm stand noch das Flussschwimmen für die Kinder. Da ich mit meinen Kindern vom Bodensee komme, können diese keine Gelegenheit auslassen, sich ins Wasser zu begeben, und so gingen wir alle noch an die Aare. Begleitet von Urs Schulenburg stiegen fast alle Kinder in die Fluten, um diese zum Teil auch zu durchschwimmen. Stolz und etwas klamm kamen sie wieder an Land, wo wir im Regen auf sie warteten. Zitternd gingen wir durch den Wald wieder nach Hause, wo Karin v. Medem bereits für die Kinder warmes Wasser in die Badewanne eingelassen hatte.

 

Der Nachmittag war gelungen und voller baltischer Herzlichkeit. Es war ein toller Ausflug, und ich hoffe, bald wieder mehr von den baltischen Veranstaltungen miterleben zu können.

 

Baronin Medem und Herrn Schulenburg herzlichen Dank für die Vorbereitung und Durchführung dieses abenteuerlichen Ausflugs!

 

Imke Gräfin v. Bothmer